12. August 2025
sms.law.bites | Energy: Unterschätzte REMIT-Änderungen im zweiten ElWG-Entwurf
Ein Beitrag von sms.law Partner Dr. Thomas Starlinger und sms.law Associate Laurenz Götzinger
Am 04.07.2025 fand eine für die Energiebranche besonders wichtige Pressekonferenz statt. Der zweite Entwurf des Elektrizitätswirtschaftsgesetz („ElWG-E“), der das in die Jahre gekommene Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010 („ElWOG 2010“) ersetzen soll, wurde der Öffentlichkeit präsentiert und damit – wie es in Österreich so schön heißt – „in die Begutachtung geschickt“. Bis zum heutigen Tag (13.08.2025) wurden bereits 328 Stellungnahmen eingebracht. Die Beteiligung am Begutachtungsverfahren ist noch bis 18.08.2025 möglich.
In den sozialen Netzwerken, insbesondere LinkedIn, können bereits zahlreiche Beiträge zu den neuen Regelungen des ElWG-E (Stichwort: Netzentgelte, gesetzliches Preisänderungsrecht, Spitzenkappung, Netzreserve) gefunden werden. Da diese Neuregelungen aufgrund der massiven Öffentlichkeitswirkung besonders brisant sind, gehen zwei Themen bislang etwas unter: Die Bestimmungen zur Umsetzung der im April 2024 erlassenen Novelle der Verordnung (EU) 1227/2011 („REMIT“) sowie die damit in Zusammenhang stehenden Änderungen des Energie-Control-Gesetz („E-ControlG“).
In ihrem aktuellen Beitrag beleuchten sms.law Partner Dr. Thomas Starlinger und Associate Laurenz Götzinger die wichtigsten Neuerungen.
Änderung der Kompetenz zur Verhängung von REMIT-Verwaltungsstrafen
Gemäß § 89 Abs 2 ElWOG 2010 ist die für Verwaltungsstrafen nach REMIT zuständige Behörde, die gemäß § 26 VStG zuständige Bezirksverwaltungsbehörde. Gemäß § 89 Abs 2 Satz ElWOG 2010 hat die Regulierungsbehörde („E-Control“) in diesen Verfahren derzeit lediglich Parteistellung. Diese Bestimmung führte dazu, dass die E-Control bei Sachverhalten nach REMIT, die verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden waren, einen Antrag auf Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach der jeweiligen Verwaltungsstrafnorm bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde stellte. In der Praxis kommt der E-Control daher nach der derzeit geltenden Rechtslage die Funktion eines „Quasi-Staatsanwaltes“ zu.
Diese Zuständigkeitsverteilung betreffend Verwaltungsstrafen nach REMIT wird nun durch § 168 Abs 3 und Abs 5 ElWG-E fundamental geändert.
Abs 5 lautet: „Verwaltungsstrafen gemäß den §§ 173 bis 175 sind von der Regulierungsbehörde zu verhängen […].“ Abs 3 dieser Bestimmung stellt nochmals ausdrücklich klar: „Für die Zwecke der Verordnung (EU) Nr. 1227/2011 ist die Regulierungsbehörde die zuständige Behörde.“
Auch die Verwaltungsstraftatbestände für Verwaltungsübertretungen nach REMIT, die nun zentral in § 173 ElWG-E zusammengefasst und als „Strafbestimmungen gegen Marktmissbrauch“ tituliert werden, legen nochmals gesondert fest, dass die E-Control in diesem Zusammenhang Verwaltungsstrafen als erste Instanz verhängt: „Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist von der Regulierungsbehörde mit Geldstrafe bis zu fünf Millionen Euro zu bestrafen […].“ Zur mehrfachen Absicherung dieser neu erworbenen Kompetenz von E-Control findet sich auch in den Erläuterungen zum ElWG-E ein entsprechender Hinweis.
Da die E-Control nun die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz ist und somit bei Feststellung eines REMIT-Verstoßes ein Straferkenntnis erlässt, wird auch der bisherige Instanzenzug geändert. Gegen Straferkenntnisse der E-Control wird nunmehr Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und nicht – wie bisher – an das jeweilige Landesverwaltungsgericht erhoben.
Massive Erhöhung des Strafrahmens bei natürlichen Personen
Abhängig vom jeweiligen unter REMIT pönalisierten Verhalten (Verstoß gegen die Veröffentlichungspflicht von Insiderinformationen gemäß Art 4 REMIT, Marktmanipulation gemäß Art 5 REMIT oder eine bestimmte Begehungsform des Insiderhandels gemäß Art 3 REMIT) sehen § 99 Abs 1 und Abs 3 ElWOG 2010 einen Verwaltungsstrafrahmen von bis zu EUR 50.000,- oder EUR 150.000,- vor.
Beide Strafrahmen werden durch den österreichischen Gesetzgeber massiv erhöht, sodass es zur Verhängung durchaus sensibler Verwaltungsstrafen für die iSd § 9 Abs 1 VStG verantwortlichen natürlichen Personen (regelmäßig die vertretungsbefugten Organe der juristischen Person, sofern kein verantwortlicher Beauftragter iSd § 9 Abs 2 VStG bestellt wurde) kommen kann. Der ElWG-E sieht nun drei Höchststrafen, deren Verhängung wiederum vom jeweiligen pönalisierten Verhalten abhängt, vor. Für Marktmanipulation nach Art 5 REMIT sowie Insiderhandel gemäß Art 3 REMIT kann gemäß § 173 Abs 1 ElWG-E eine Geldstrafe von bis zu EUR 5 Mio. verhängt werden. Andere Sachverhalte, wie bspw die nicht rechtzeitige Veröffentlichung von Insiderinformationen iSd Art 4 Abs 1 REMIT (Strafrahmen bis zu EUR 1 Mio.) oder die nicht rechtzeitige Registrierung bei der Regulierungsbehörde gemäß Art 9 REMIT (Strafrahmen bis zu EUR 500.000,-) sind mit geringerer Strafe bedroht.
Nach den Erläuterungen zum ElWG-E rechtfertigt der Gesetzgeber die massive Erhöhung der Strafrahmen mit den „nunmehr in Art 18 REMIT festgesetzten Mindesthöhen und Höchstgrenzen für Geldbußen bei REMIT-Verstößen“. Fraglich ist hierbei, ob der europäische Gesetzgeber tatsächlich Mindesthöhen für REMIT-Verstöße normieren wollte, von denen der nationale Gesetzgeber nicht abweichen kann. Art 18 Abs 4 & Abs 5 REMIT sprechen durchwegs von Höchstbeträgen. Auch Erwägungsgrund 23 der REMIT-Novelle (VO (EU) 2024/1106) sieht lediglich vor: „Insbesondere sollte der Betrag der in einem bestimmten Fall zu verhängenden Geldbußen den in dieser Verordnung vorgesehenen Höchstbetrag erreichen können. Diese Verordnung schränkt jedoch nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten ein, im Einzelfall niedrigere Geldbußen vorzusehen.“
Für Verwaltungsstrafen bei natürlichen Personen, sohin den gemäß § 9 Abs 1 VStG Verantwortlichen, wird jedoch eine weitere betragsmäßige Beschränkung durch Art 18 Abs 4 REMIT eingeführt. Gemäß § 173 Abs 5 ElWG-E darf die von der E-Control nach § 173 Abs 1 bis Abs 4 ElWG-E zu verhängende Geldstrafe für eine natürliche Person 20% Jahreseinkommens des vorangegangenen Kalenderjahres nicht überschreiten. Diese eingezogene Grenze wird jedoch wieder dadurch aufgeweicht, dass sie dann nicht gilt, wenn die jeweilige natürliche Person durch den Verstoß direkt oder indirekt einen finanziellen Gewinn gezogen oder einen Verlust vermieden hat.
Verwaltungsstrafbarkeit von juristischen Personen
Neu im ElWG-E ist die Verwaltungsstrafbarkeit von juristischen Personen. Gemäß § 174 ElWG‑E kann gegen eine juristische Person eine Verwaltungsstrafe verhängt werden, wenn eine Führungsperson gegen eine Verpflichtung des § 173 Abs 1 ElWG-E verstoßen oder die mangelnde Kontrolle einer Führungsperson die Begehung durch einen anderen Mitarbeiter ermöglicht hat. Diese im ElWG-E eingeführte Verwaltungsstrafbarkeit von juristischen Personen verläuft parallel zur Verwaltungsstrafbarkeit der iSd § 9 VStG für den jeweiligen REMIT-Verstoß verantwortlichen natürlichen Personen („Doppelgleisigkeit der Verwaltungsstrafbarkeit“). Diese Systematik ist keine gänzlich neue, sondern bereits aus der Finanzmarktregulierung wohl bekannt.
Die Systematik der Verwaltungsstrafbarkeit von juristischen Personen ähnelt der von natürlichen Personen. Abhängig vom jeweiligen REMIT-Tatbestand beträgt der Strafrahmen bis zu 2% (bspw bei nicht rechtzeitiger Veröffentlichung von Insiderinformationen iSd Art 4 REMIT) oder bis zu 15% (bei Marktmanipulation iSd Art 5 oder Insiderhandel iSd Art 3 REMIT) des im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes. Bei der in § 174 Abs 3 Z 3 ElWG-E vorgesehenen Höchststrafe von 2% des im vorangegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes für Verstöße gegen Art 8, 9, 5a und 7c REMIT dürfte es sich um ein Redaktionsversehen handeln. Gemäß Art 18 Abs 5 lit c REMIT beträgt die für diese Verstöße vorgesehene Höchststrafe lediglich 1% des jährlichen Gesamtumsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres. Wollte der Gesetzgeber daher tatsächlich eine höhere Verwaltungsstrafe als die in REMIT vorgesehene einführen, wäre die Schaffung des § 174 Abs 3 Z 3 ElWG-E gar nicht notwendig gewesen, weil diese Delikte bereits in § 174 Abs 3 Z 2 ElWG-E hätten aufgenommen werden können.
Gemäß § 174 Abs 4 ElWG-E ist der jährliche Gesamtumsatz jener, der im letzten geprüften Jahresabschluss ausgewiesen wurde. Gemäß § 174 Abs 4 ElWG-E ist der Konzernumsatz maßgeblich, auch wenn der REMIT-Verstoß in einer Tochtergesellschaft begangen wurde und lediglich die Voraussetzungen für die Strafbarkeit dieser Tochtergesellschaft vorliegen. Diese Konzernbetrachtung wurde von REMIT nicht gefordert, doch hat sich der österreichische Gesetzgeber augenscheinlich dazu entschlossen diese einzuführen. Weiters ist von Interesse, dass der letztjährige Gesamtumsatz von der Regulierungsbehörde zu schätzen ist, falls die Grundlagen für den jährlichen Gesamtumsatz nicht ermittelt oder berechnet werden können.
Gemäß § 174 Abs 5 ElWG-E darf auch bei juristischen Personen der Betrag der Verwaltungsstrafe 20% des Umsatzes des vorangegangenen Geschäftsjahres nicht überschreiten. Hat die juristische Person durch den Verstoß direkt oder indirekt einen finanziellen Gewinn gezogen oder einen Verlust vermieden, so hat die Verwaltungsstrafe jedoch mindestens diesem Betrag zu entsprechen.
Entfall der gerichtlichen Strafbarkeit von Insiderhandel
Nach der derzeit geltenden Rechtslage ist der Insiderhandel iSd Art 3 REMIT gemäß § 108a ElWOG 2010 mit einer gerichtlichen Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht, falls er von den in Art 3 Abs 2 lit a bis lit d REMIT genannten Personen begangen wurde. Eine anderer Personenkreis, nämlich Personen iSd des Art 3 Abs 2 lit e REMIT, die wissen oder wissen müssten, dass es sich um Insiderinformationen handelt, sind – abhängig vom Vorliegen eines Bereicherungsvorsatzes – nach § 99 Abs 1 Z 16 oder Abs 4 Z 2 ElWOG 2010 privilegiert, sodass diese Personengruppe derzeit nur mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu EUR 50.000,- bzw. 150.000 ,- rechnen muss. In diesem Zusammenhang ist zu begrüßen, dass sich der Gesetzgeber dazu entschieden hat, die Strafbestimmungen des § 108a ElWOG 2010 nicht in den ElWG-E zu übernehmen, sodass bei der Begehung von Insiderhandel iSd Art 3 REMIT nur mehr mit einer Verwaltungsstrafe zu rechnen ist. Hier sei nochmals erwähnt, dass nach den Bestimmungen des ElWG-E die Verwaltungsstrafe einer natürlichen Person für Insiderhandel gemäß Art 3 REMIT die Grenze von bis zu EUR 5 Mio. erreichen kann, falls die „20%-Grenze“ des zuletzt bezogenen Jahreseinkommens nicht greifen sollte.
Massive Verlängerung der Verjährungsfrist
Besonderes Interesse kann auch § 175 Abs 2 ElWG-E zugesprochen werden. Bislang richtet sich das ElWOG 2010 nach den gemäß § 31 VStG allgemein geltenden Verjährungsfristen für Verwaltungsübertretungen. Die Verfolgungsverjährung beträgt daher gemäß § 31 Abs 1 VStG ein Jahr und die Strafbarkeitsverjährung gemäß § 31 Abs 2 VStG drei Jahre. § 175 Abs 2 ElWG-E sieht nun für sämtliche Verwaltungsübertretungen nach den §§ 169 bis 174 ElWG-E, sohin nicht nur für REMIT-Verstöße, eine neue allgemeine Frist für die Verfolgungsverjährung von drei Jahren sowie für die Strafbarkeitsverjährung von fünf Jahren vor. Warum der österreichische Gesetzgeber eine solch massive Ausdehnung für gerechtfertigt erachtet, zumal die REMIT keine Vorgabe oder Verpflichtung eines Mitgliedstaats zur Ausdehnung der Verjährungsfristen bei REMIT-Verstößen vorsieht, wird in den Erläuterungen zum ElWG-E nicht ausgeführt. Auch kann aus dem Erfordernis, dass gemäß Art 18 REMIT die für REMIT-Verstöße vorgesehenen Sanktionen wirksam, abschreckend und verhältnismäßig sein müssen, grundsätzlich keine derart massive Verlängerung der allgemeinen Verfolgungs- sowie Strafbarkeitsverjährungsfrist von zwei Jahren abgeleitet werden. Auch im Finanzmarktrecht ist gemäß § 22 Abs 7 FMABG für Marktmanipulationssachverhalte anstelle der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist iSd § 31 Abs 1 VStG lediglich eine Verfolgungsverjährungsfrist von 18 Monaten vorgesehen. Die Strafbarkeitsverjährung folgt im Finanzmarktrecht der allgemeinen Regelung und beträgt daher drei Jahre. Da die Regelungssystematik der REMIT jener zur Wahrung der Integrität der Finanzmärkte folgt, erscheint die doppelt so lange Verfolgungsverjährungsfrist für REMIT‑Verstöße im Vergleich zur bspw für Marktmissbrauch auf den Finanzmärkten geltenden Verfolgungsverjährungsfrist und die um zwei Jahre verlängerte Strafbarkeitsverjährungsfrist jedenfalls nicht gerechtfertigt. Wenn der österreichische Gesetzgeber solch ein Erfordernis für gegeben ansieht, wäre zumindest in den Erläuterungen zum ElWG klarzustellen, warum den Verjährungsfristen für Verstöße gegen REMIT im Vergleich zum Finanzmarktrecht derart mehr Bedeutsamkeit zukommen soll. Dies auch deshalb, weil aufgrund der Ähnlichkeit der Struktur der Energiegroßhandelsmärkte zur Struktur der Finanzmärkte ein solch gravierender Unterschied nicht erkennbar ist.
Änderungen des E-ControlG betreffend REMIT
Um einen Gleichklang mit den im ElWG-E vorgesehenen Änderungen betreffend REMIT herzustellen, wird auch das E-ControlG angepasst. Abgesehen von terminologischen Änderungen werden die Überwachungs- und Untersuchungsbefugnisse der E-Control in Bezug auf REMIT umfangreich gestärkt. Die hierfür zentralen Neuregelungen sind §§ 25a, 25b und 25c E-ControlG. Da der Insiderhandel iSd Art 3 REMIT nicht mehr mit einer gerichtlichen Strafe, sondern nach dem ElWG-E lediglich mit einer Verwaltungsstrafe bedroht sein soll, werden jene Befugnisse der E-Control, die auf die Regelungen der Strafprozessordnung Bezug nehmen, aus § 25a Abs 1 E-ControlG gestrichen.
Der Grundkern des § 25a Abs 1 E-ControlG wird durch den ElWG-E im Wesentlichen nicht verändert. § 25a Abs 1 Z 1 E-ControlG normiert nun allgemein, dass die E-Control Zugang zu relevanten Unterlagen und Daten aller Art erhält und Kopien von ihnen anfertigen darf; Abs 1 Z 3 sieht vor, dass die E-Control Ermittlungen vor Ort durch eigene Prüfer, durch Personen, die in Amtshilfe für die Regulierungsbehörde tätig werden, oder durch sonstige Sachverständige (Prüfungsorgane) durchführen kann (diese Befugnis bezieht sich lediglich auf sogenannte „Vor‑Ort‑Prüfungen“, die uE keine Hausdurchsuchungen, sohin die systematische Durchsuchung von umschlossenen Behältnissen und geschützten Räumen darstellen, sondern mit einem Audit durch externe Prüfer vergleichbar sind); Abs 1 Z 4 sieht vor, dass die E-Control bereits existierende Aufzeichnungen von Telefongesprächen und Datenübermittlungen anfordern kann; Abs 1 Z 6 (da Z 5 entfällt, ist die Nummerierung des § 25a Abs 1 E-ControlG nun nicht mehr fortlaufend) sieht vor, dass die E-Control bei Verdacht der Marktmanipulation iSd Art 5 REMIT ein vorübergehendes Berufsausübungsverbot für den Beschuldigten erteilen kann, sofern der Beschuldigte dringend tatverdächtig ist, diese Berufstätigkeit mit dem betroffenen Delikt in Zusammenhang steht und Tatbegehungsgefahr vorliegt.
§ 25a Abs 1a E-ControlG soll neu eingeführt werden. § 25a Abs 1a E-ControlG sieht vor, dass die E-Control im Falle von REMIT-Verstößen eine öffentliche Warnung oder Mitteilung betreffend die für den Verstoß verantwortliche Person und die Art des Verstoßes herausgeben kann. Fraglich ist, wie diese Bestimmung konkret zu verstehen ist. Die Erläuterungen schweigen zu dieser Regelung. § 25a Abs 1a E-ControlG spricht von REMIT-Verstößen und daher nicht nur von dem Verdacht eines REMIT-Verstoßes. Demnach bezieht sich diese Bestimmung darauf, dass ein REMIT-Verstoß von der E-Control (als Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz) festgestellt wurde und deshalb eine öffentliche Warnung abgegeben werden kann. Der E-Control wird hier mit einer „Kann-Bestimmung“ ein breites undefiniertes Ermessen eingeräumt, das keiner gesetzlichen Vorgabe folgt. Demnach ist unklar nach welchen Kriterien eine öffentliche Warnung überhaupt abgegeben werden kann. Ebenso ist unklar, ob eine öffentliche Warnung auch dann erfolgen kann, wenn gegen das Straferkenntnis der E-Control eine Beschwerde an das BVwG erhoben wurde. Eine Klarstellung an entsprechender Stelle in den Erläuterungen ist zwingend notwendig.
Davon abgesehen steht § 25a Abs 1a E-ControlG ebenso in Widerspruch zu § 25a Abs 6 E‑ControlG. § 25a Abs 6 E-ControlG sieht vor, dass die E-Control ermächtigt ist, rechtskräftige REMIT-Entscheidungen der zuständigen Strafbehörden (durch die Änderungen im ElWG-E nunmehr ihre eigenen Entscheidungen, wenn dagegen keine Beschwerde an das BVwG erhoben wurde) samt verhängter Sanktionen öffentlich bekanntzugeben, es sei denn, diese Bekanntgabe würde einen unverhältnismäßigen Schaden zur Folge haben. Auf Basis dieser Bestimmung ist unklar, wieso eine öffentliche Warnung iSd § 25a Abs 1a E-ControlG das Bekanntmachen eines von der E-Control festgestellten REMIT-Verstoßes rechtfertigen sollte, bevor diese Entscheidung überhaupt rechtskräftig geworden ist. Unabhängig davon wird in § 25a Abs 1a E-ControlG nicht auf einen allfälligen unverhältnismäßigen Schaden Bezug genommen, sodass massiv in die Rechtssphäre der für REMIT-Verstöße Verantwortlichen eingegriffen wird. Eine öffentliche Warnung der E-Control die sich auf eine namentlich genannte natürliche Person bezieht, deren Zuwiderhandeln noch nicht rechtskräftig festgestellt wurde, kann aufgrund des dadurch erfolgenden gravierenden Eingriffs in das Privat- und Berufsleben der jeweiligen Person uE nur eine Grundrechtsverletzung verkörpern.
Aufgrund der obigen Erwägungen sowie des damit verbundenen Wertungswiderspruches sollte § 25a Abs 1a E-ControlG restlos gestrichen oder zumindest unmittelbar im Gesetzestext klargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen eine öffentliche Warnung von der E‑Control abgegeben werden kann.
§ 25b E-ControlG (nunmehr als „Durchsuchung von Orten und Gegenständen“ tituliert) kann aufgrund des neuen Regelungsinhaltes als gänzlich neue Befugnis der E-Control qualifiziert werden. § 25b E-ControlG wurde an das im Wettbewerbsrecht verankerte „Hausdurchsuchungsmodell“ iSd § 12f Wettbewerbsgesetz angelehnt.
Gemäß § 25b Abs 1 E-ControlG soll die E-Control die Kompetenz erhalten bei REMIT-Verstößen iSd Art 3, 4, 5, 5a, 7c, 8, 9 oder 15 REMIT einen Antrag auf Durchsuchung von Orten und Gegenständen beim Kartellgericht zu stellen. Das Kartellgericht hat den Antrag zu genehmigen und die Durchsuchung anzuordnen, wenn dies zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist und ein begründeter Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen die Art 3, 4, 5, 5a, 7c, 8, 9 oder 15 REMIT vorliegt. Nach dem Wortlaut ist kein dringender Tatverdacht notwendig, sondern reicht der auf allgemeinen Grundsätzen basierende „nachvollziehbare Anfangsverdacht“ aus. Bloße Spekulationen oder unbegründete Verdachtsmomente genügen diesen Anforderungen daher nicht. Wie auch in der Strafprozessordnung muss aufgrund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden können, dass ein REMIT-Verstoß vorliegt. Der vom Kartellgericht erlassene Durchsuchungsbefehl kann sich auf jeden erdenklichen Raum, wie bspw Geschäftsräumlichkeiten des Marktteilnehmers, die Privatwohnung des Geschäftsführers, Fahrzeuge etc., beziehen.
Außerdem hat das Kartellgericht auf Antrag der E-Control oder der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden („ACER“) gemäß § 25b Abs 2 E-ControlG eine Durchsuchung von Orten und Gegenständen auf Grund einer Entscheidung von ACER iSd Art 13a REMIT wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen REMIT anzuordnen. Nach dieser Bestimmung hat das Kartellgericht neben der Echtheit der Entscheidung nur zu prüfen, ob die beabsichtigte Durchsuchung nicht willkürlich oder unverhältnismäßig ist. Demnach kommt dem Kartellgericht bei einem Antrag der E-Control oder ACER auf Basis des § 25b Abs 2 E‑ControlG nach dem Wortlaut dieser Bestimmung keine Befugnis zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der von ACER gemäß Art 13a REMIT erlassenen Entscheidung zu. Im Wettbewerbsrecht ist derzeit eine vergleichbare Regelung nicht zu finden. Gemäß § 12 Abs 2 Wettbewerbsgesetz ist ein Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde an das Kartellgericht notwendig, falls die Europäische Kommission eine Nachprüfungsentscheidung iSd Art 20 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 getroffen hat.
Ebenso soll § 25c E-ControlG neu eingeführt werden. § 25c E-ControlG regelt die Befugnis der E-Control zu sogenannten „Vor-Ort-Ermittlungen“. „Vor-Ort-Ermittlungen“ iSd § 25c E-ControlG können von der E-Control ohne gerichtliche Bewilligung durch das Kartellgericht durchgeführt werden, weil diese keine Hausdurchsuchungen im technischen Sinne, sohin die systematische Durchsuchung von umschlossenen Behältnissen und geschützten Räumen darstellen, sondern mit einer Art Audit durch externe Prüfer vergleichbar sind. Demnach ist es der E-Control verwehrt, auf Basis von § 25c E-ControlG bspw Geschäftsräumlichkeiten zu durchsuchen. Der E-Control kommen bei Vor-Ort-Prüfungen die Befugnisse iSd § 25a Abs 1 Z 3 E-ControlG zu. Demnach können von der E-Control externe Personen (Prüfungsorgane) beigezogen werden und alle für die Durchführung von Ermittlungshandlungen erforderlichen Auskünfte, sowie von allen Vertretern oder Beschäftigten des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung Erläuterungen zu Sachverhalten oder Unterlagen verlangt werden.