14. Oktober 2025
sms.law.bites | Employment: Changes –Veränderungsprozesse in Unternehmen arbeitsrechtlich erfolgreich begleiten
Ein Beitrag von sms.law Rechtsanwältin Sarah Lurf
Veränderungsprozesse im Unternehmen sind unausweichlich, sei es durch Digitalisierung, Restrukturierungen oder neue Marktanforderungen. Dabei erleben viele Unternehmen, dass Mitarbeiter:innen den Veränderungen kritisch, bisweilen sogar ablehnend gegenüberstehen. Ein gelungenes Change-Management ist wichtig für die erfolgreiche Umsetzung der geplanten Veränderungen. Neben Führungs- und Kommunikationsfragen geht es dabei ebenso um arbeitsrechtliche Aspekte. Denn das Unternehmen muss beurteilen, welche Veränderungen einseitig durchgeführt werden können, wann die Zustimmung der Mitarbeiter:innen notwendig ist und wie mit jenen Mitarbeiter:innen umzugehen ist, die sich gegen die geplanten Änderungen stellen.
👉 Welche Änderungen darf das Unternehmen einseitig umsetzen?
Grundsätzlich darf das Unternehmen Arbeitsabläufe, Prozesse, Methoden und das Verhalten am Arbeitsplatz einseitig festlegen und ändern. Die Einführung einer neuen Software, die Änderung der Arbeitsabläufe zur Steigerung der Effizienz oder Vermeidung von Fehlern, die Einführung von Compliance-Standards oder neuer Vorschriften zum Arbeitnehmer:innenschutz wie auch die Reorganisation von Verantwortlichkeiten liegen in der Hand des Unternehmens.
Die Gestaltungsrechte sind dort beschränkt, wo die Änderungen vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer:innen betreffen (insbesondere Entgelt, Arbeitszeit und Arbeitsort) oder die Involvierung des Betriebsrates erforderlich ist.
👉 Welche Grenzen bestehen bei der Durchführung von Änderungsprozessen?
Wie schon kurz angesprochen ist das Gestaltungsrecht des Unternehmens dort begrenzt, wo vertragliche Ansprüche der Mitarbeiter:innen berührt sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Lage der Arbeitszeit verändert werden soll, es zu einer Änderung des Arbeitsorts kommt oder der Tätigkeitsbereich nicht mehr der vereinbarten Tätigkeit entspricht. In den meisten Fällen werden Änderungen in den Aufgaben zu keiner Änderung der vereinbarten Tätigkeit führen; eine Änderung des Tätigkeitsbereichs kann bei gravierenden Umstrukturierungen der Fall sein, aber liegt nicht bereits dann vor, wenn eine bestimmte Aufgabe hinzukommt oder wegfällt. Bei einer leistungsbezogenen Vergütung kann die Änderung der Arbeitsabläufe außerdem Einfluss auf die Vergütung der Mitarbeiter:innen haben. Für all diese Fälle können Unternehmen vorsorgen und entsprechende Gestaltungsrechte in den Vertrag aufnehmen. Wurden keine Gestaltungsrechte vereinbart, muss im Einzelfall geprüft werden, ob das Unternehmen trotz Eingriff in die Ansprüche bzw. Rechte der Arbeitnehmer:innen einseitig Veränderungen durchsetzen darf. Dürfen die geplanten Änderungen nicht einseitig umgesetzt werden, muss das Unternehmen mit den Arbeitnehmer:innen eine Einigung erzielen.
Sofern im Unternehmen ein Betriebsrat besteht, hat das Unternehmen außerdem dessen Informations- und allfällige Mitwirkungsrechte zu achten. Bei größeren Änderungsprozessen, wie der Einführung neuer Technologien oder wenn die Arbeitssicherheit betroffen ist, müssen sich Unternehmen und Betriebsrat beraten. Sollen Kontrollsysteme oder Leistungsbeurteilungssystem eingeführt werden oder gehen die geplanten Maßnahmen mit einem Mehr an Mitarbeiter:innendatenverarbeitung einher, ist der Abschluss einer Betriebsvereinbarung erforderlich. Außerdem ist zu prüfen, ob die geplanten Maßnahmen in bereits bestehende Betriebsvereinbarungen eingreifen, wie etwa in eine Betriebsvereinbarung betreffend allgemeine Ordnungsvorschriften oder leistungsbezogene Prämien.
👉 Darf das Unternehmen Schulungen anordnen?
Wenn das Unternehmen Arbeitsprozesse ändert, neue Technologien einführt oder sonstige Änderungen durchführt, darf das Unternehmen ebenso die notwendigen Schulungen anordnen. Wichtig ist, dass diese Schulungen grundsätzlich als Arbeitszeit gelten und vom Unternehmen zu bezahlen sind. Bei langwierigeren Schulungen, die den Arbeitnehmer:innen auch am sonstigen Arbeitsmarkt Vorteile bringen (etwa Einarbeitung in ein neues Programm, dass auch von anderen Unternehmen genutzt wird), sollte der Abschluss einer Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung geprüft werden. Eine solche Vereinbarung erlaubt es dem Unternehmen, übernommene Ausbildungskosten (teilweise) zurückzufordern, sollte ein:e Arbeitnehmer:in das Unternehmen verlassen, bevor sich die Ausbildungskosten amortisieren konnten.
👉 Welche arbeitsrechtlichen Möglichkeiten hat das Unternehmen in Bezug auf Mitarbeiter:innen, die sich gegen die Veränderung stellen?
· Wenn eine einseitige Umsetzung seitens des Unternehmens rechtlich zulässig ist, kann das Unternehmen zur Umsetzung der Prozesse und Teilnahme an Schulungen anweisen und die Weigerung des/der Arbeitnehmer:in rügen. Diese Weisungen und Rügen sollten unbedingt schriftlich dokumentiert werden. Oft reicht dieser offizielle Charakter der Ermahnung aus, um Mitarbeiter:innen den Ernst der Situation zu verdeutlichen. Sollte der/die Arbeitnehmer:in weiterhin unkooperativ bleiben, besteht als letzte Möglichkeit die Beendigung aus personenbezogenen Gründen (in ganz gravierenden Fällen sogar die Entlassung).
· Sofern eine einseitige Umsetzung nicht zulässig ist und das Unternehmen auf die Zustimmung des/der Arbeitnehmer:in angewiesen ist, stünde als letzte Möglichkeit die Änderungskündigung im Raum. Dabei kündigt das Unternehmen das Dienstverhältnis, aber bietet an, das Dienstverhältnis zu geänderten Konditionen fortzusetzen. Vor Gericht haben derartige Änderungskündigungen üblicherweise gute Chancen und sind ein probates Mittel, um Änderungen durchzusetzen.
In beiden Fällen muss das Unternehmen im Notfall bereit sein, das Dienstverhältnis zu beenden. Dabei hat das Unternehmen eine Kosten-Nutzen-Abwägung anzustellen, ob die geplanten Änderungen die Beendigung tatsächlich wert sind. In vielen Fällen wird das Unternehmen kaum eine andere Wahl haben, nämlich dann, wenn Einzelausnahmen technisch nicht möglich sind oder wenn zu befürchten ist, dass die betroffene Person die Stimmung im Betrieb negativ beeinflusst.
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Erfolgreiches Change-Management bedeutet weit mehr, als nur Veränderungen anzuordnen. Es erfordert Verständnis für die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen, um das Vertrauen der Mitarbeiter:innen zu gewinnen und rechtliche Risiken zu minimieren. Nur wenn Weisungsrecht, Zumutbarkeit und Mitbestimmung bestmöglich aufeinander abgestimmt sind, kann Veränderung nachhaltig, rechtssicher und von den Beteiligten akzeptiert umgesetzt werden. Unternehmen, die diese Balance meistern, schaffen nicht nur effiziente Abläufe, sondern auch ein Arbeitsumfeld, das offen für Wandel ist und die Zukunft aktiv gestaltet.