23. September 2025
sms.law.bites | Employment: All Eyes on Work – Möglichkeiten und Regeln moderner Mitarbeiter:innenüberwachung: Was Unternehmen beachten müssen
Ein Beitrag von sms.law Rechtsanwältin Sarah Lurf
Zutrittskontrolle, Zeiterfassungssystem, Videoüberwachung, Produktivitätsberichte und Aktivitätsüberwachung – es gibt unzählige Möglichkeiten der Mitarbeiter:innenüberwachung. Notwendig, um Schaden abzuwehren und Abläufe zu optimieren, bewegen sich Unternehmen dabei auf sensiblem Terrain. Denn Datenschutz und Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter:innen setzen den Unternehmen enge und auch haftungsbewährte Grenzen. Eine unbedachte Fehleinschätzung des Unternehmens kann zu Schadenersatzpflichten und Strafen führen. Eine sorgfältige Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit ist für Unternehmen daher unerlässlich.
👉 Allgemeine Kontrolle oder anlassfallbezogene Überwachung? Die Umstände bestimmen die Handlungsmöglichkeiten.
Wesentliche Vorfrage ist, ob das Unternehmen eine allgemeine Kontrolle implementieren möchte oder es sich um eine anlassfallbezogene Untersuchung handelt, weil eine ganz konkrete Verdachtslage besteht. Üblicherweise gewähren anlassfallbezogene Untersuchungen einen größeren Handlungsspielraum. Denn die jeweilige Verdachtslage führt dazu, dass sich die sachlichen Interessen des Unternehmens verdichten. Das ist für die notwendige Interessenabwägung zwischen den Unternehmensinteressen einerseits und den Interessen der Mitarbeiter:innen andererseits vorteilhaft. Was als allgemeine Kontrollmaßnahme womöglich noch unzulässig ist, kann bei einer konkreten Verdachtslage erlaubt sein. Das gilt sowohl für Erwägungen des Persönlichkeitsschutzes wie auf für die DSGVO.
Sofern mit gelinderen Maßnahmen das Ziel ebenso erreicht werden kann, hat das Unternehmen diese gelinderen Maßnahmen zu wählen. Es empfiehlt sich, bereits vor Umsetzung der konkreten Maßnahme das berechtigte Interesse des Unternehmens zu dokumentieren und warum keine etwaige gelindere Maßnahme in Frage kommt.
Äußerst kontrollintensive Maßnahmen können in der Regel nicht gerechtfertigt werden, weil bzw. wenn dadurch die Menschenwürde verletzt wird. Das gilt auch dann, wenn die einzelnen Mitarbeiter:innen und/oder der Betriebsrat vorab den Maßnahmen zustimmen.
👉 Muss ich eine Betriebsvereinbarung abschließen? Umstände und Kontrollintensität legen den Rahmen für den Betriebsrat fest.
Gleich vorweg, auch hier sind anlassfallbezogene Untersuchungen privilegiert. Denn gemeinhin gilt, dass sich die Betriebsvereinbarungstatbestände auf allgemeine Maßnahmen beziehen, aber nicht auf spezielle Kontroll- bzw. Untersuchungshandlungen, die auch nur ganz bestimmte Mitarbeiter:innen betreffen. Wenn es Ihnen also gelingt, den speziellen Charakter der Maßnahme darzulegen, stellt sich gar nicht erst die Frage nach einer etwaigen Betriebsvereinbarung.
Ebenfalls ausgenommen sind Kontroll- bzw. Überwachungsmaßnahmen, die das Unternehmen von Gesetzes wegen durchführen muss, wie etwa die genaue Arbeitszeiterfassung.
Für darüberhinausgehende, allgemeine Maßnahmen gilt, dass die Mitwirkung des Betriebsrates steigt, je invasiver die Maßnahme ist. Die Mitwirkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, indem stattdessen die Zustimmung der einzelnen Mitarbeiter:innen eingeholt wird. Je nach Ausgestaltung kann es sein, dass das Unternehmen die ins Auge gefasste Maßnahme nur dann umsetzen darf, wenn der Betriebsrat vorab zugestimmt hat – wobei in bestimmten Fällen die Zustimmung durch die Schlichtungsstelle ersetzt werden kann (insofern ein Vorteil für das Unternehmen, weil es nicht auf einen allzu unkooperativen Betriebsrat verwiesen bleibt). Kommen verschiedene Betriebsvereinbarungstatbestände in Frage, geht jener vor, der das höhere Maß an Mitwirkung vorsieht.
Die Praxis zeigt, dass die Involvierung des Betriebsrates auch eine Chance sein kann, die Akzeptanz einer konkreten Maßnahme bei den Mitarbeiter:innen zu erhöhen. Die Zustimmung und Unterstützung durch den Betriebsrat kann u.U. durch Entgegenkommen des Unternehmens in anderen Belangen erreicht werden.
👉 Welche Punkte muss ich nun beachten, wenn ich Überwachungs- oder Kontrollmaßnahmen einführen möchte?
- Besteht seitens des Unternehmens ein berechtigtes Interesse?
Prüfen Sie, ob eine Gefährdung des Unternehmens besteht, was konkret die geplante Maßnahme notwendig macht und was dadurch verhindert oder erreicht werden soll.
- Ist die Maßnahme verhältnismäßig?
Prüfen Sie, ob allenfalls mit gelinderen Mitteln das Auslangen gefunden werden kann.
- Wie schwer ist der Eingriff in die Privatsphäre der Mitarbeiter:innen?
Prüfen Sie die Kontrollintensität.
- Muss der Betriebsrat involviert werden?
Prüfen Sie die Gründe und die Dauer der Maßnahme. Sofern eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden muss, prüfen Sie allenfalls, ob die Maßnahme angepasst werden kann, um in einen Betriebsvereinbarungstatbestand zu rutschen, der geringere Mitwirkungsrechte vorsieht.
Falls der Betriebsrat eingebunden werden muss, entscheiden Sie sich für eine frühzeitige Abstimmung. Hinsichtlich der Einigung kann es sinnvoll sein, einen breiten Horizont zu behalten und einen allenfalls themenübergreifenden Kompromiss zu finden.