28. Oktober 2025
sms.law.bites | Employment: Betriebsvereinbarungen erfolgreich verhandeln
Ein Beitrag von sms.law Rechtsanwältin Sarah Lurf
Viele betriebliche Maßnahmen wie bestimmte Arbeitszeitregelungen, Kontrollmaßnahmen und Beurteilungssysteme oder bestimmte automationsunterstützte Datenverarbeitungen von Mitarbeiter:innendaten lassen sich rechtlich nicht ohne eine Betriebsvereinbarung umsetzen. Das Unternehmen ist in diesen Fällen auf die Mitwirkung des Betriebsrates angewiesen. Was passiert aber, wenn ein Konsens nicht möglich scheint? Auch bei festgefahrenen Verhandlungssituationen gibt es verschiedene Ansätze, um dennoch Lösungen zu finden und entscheidende Maßnahmen im Unternehmen umzusetzen. Nachstehend werden die wichtigsten Erfolgsfaktoren und praxisnahe Lösungsstrategien für gelungene Verhandlungen rund um Betriebsvereinbarungen vorgestellt.
👉 Wann ist überhaupt die Zustimmung des Betriebsrates notwendig?
Man unterscheidet je nach Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte des Betriebsrates verschiedene Arten von Betriebsvereinbarungen. Bei den eingangs genannten Beispielen handelt es sich um notwendige Betriebsvereinbarungen. Das bedeutet, dass das Unternehmen die Maßnahmen erst setzen darf, wenn eine Betriebsvereinbarung vorliegt. Sofern die Zustimmung des Betriebsrates – ausnahmsweise durch die Schlichtungsstelle ersetzt werden kann, spricht man von notwendigen Betriebsvereinbarungen mit Zwangsschlichtung.
Die Unterscheidung ist strategisch relevant, weil sie die Verhandlungsposition des Unternehmens beeinflusst. Im Fall von notwendigen Betriebsvereinbarungen befindet sich das Unternehmen in einer tendenziell weniger starken Verhandlungsposition, wohingegen die Benchmark bei der Möglichkeit einer Zwangsschlichtung das bei einer Schlichtung zu erwartende Ergebnis ist.
Darüber hinaus gibt es erzwingbare Betriebsvereinbarungen (Unternehmen darf Regelungen/Maßnahmen auch ohne Abschluss einer Betriebsvereinbarung treffen, aber Betriebsrat kann Abschluss einer Betriebsvereinbarung allenfalls vor der Schlichtungsstelle erzwingen) und freiwillige Betriebsvereinbarungen (Unternehmen darf Regelungen/Maßnahmen auch ohne Abschluss einer Betriebsvereinbarung treffen, Abschluss einer Betriebsvereinbarung erfolgt freiwillig).
Für Unternehmen sind vor allem notwendige und notwendig erzwingbare Betriebsvereinbarungen von großer Bedeutung, weil hier die Rolle des Betriebsrates am stärksten ausgestaltet ist und für den betrieblichen Ablauf wesentliche Themen betroffen sind.
👉 Erfolgsfaktoren für die Verhandlung von Betriebsvereinbarungen
- Zwischenmenschliches Vertrauen im Verhandler:innen-Team
Eine gute, offene Beziehung zwischen den Personen in den Verhandlungsteams erleichtert nicht nur die Kommunikation, sondern schafft auch mehr Spielraum, um kreative Kompromisse auszuloten. Vertrauen wirkt möglichen Konflikten entgegen und ermöglicht eine lösungsorientierte Gesprächsatmosphäre.
- Interessen statt Positionen
Statt sich auf starre Positionen oder Standpunkte zu versteifen, hilft es, die dahinterliegenden Interessen der jeweiligen Parteien zu klären und zum Ausgangspunkt der Verhandlungen zu machen. Das schafft Verständnis und fördert Kompromisse, die beiden Seiten gerecht werden. So können flexible Modelle entstehen, die wirtschaftliche und soziale Zielsetzungen abdecken.
Lösungsstrategien, wenn die Verhandlungen stagnieren
- Verhandler:innen-Team austauschen
Wenn zwischen einzelnen Beteiligten aus den verschiedenen Verhandler:innenteams das Verhältnis belastet ist, kann ein Wechsel im Verhandler:innenteam helfen, Blockaden zu lösen und neue Dynamik in die Verhandlungen zu bringen. Frische Perspektiven und mitunter weniger belastete Beziehungen schaffen oft schneller Fortschritte.
- Betriebsrat Erfolge gönnen
Durch den Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung – gerade bei Themen, die ohnehin im Unternehmen bereits gelebt werden – können Arbeitgeber dem Betriebsrat sichtbare Erfolge ermöglichen und so unter Umständen einen Kompromiss bei einem notwendig durch Betriebsvereinbarung zu regelnden Thema erzielen. Damit wird der Spielraum für Kompromisse weitergedacht.
- Befristete Lösungen
Bei nur schwierig zu erreichenden Kompromissen kann eine befristete Betriebsvereinbarung die nötige Flexibilität schaffen. Sie verpflichtet weniger dauerhaft, ist daher oft leichter zu vermitteln und kann nach der Laufzeit überprüft und angepasst werden.
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Die Gestaltung von Betriebsvereinbarungen ist ein entscheidender Hebel in der Unternehmensführung – und erfordert sowohl rechtliches Know-how als auch Soft Skills im Umgang mit dem Betriebsrat. Gezielte Strategien und ein wertschätzender Dialog führen am Ende oft zu nachhaltigen, wirtschaftlichen und sozial akzeptierten Lösungen.