9. September 2025
sms.law.bites | Employment: Volontariat – Chance oder Risiko für Unternehmen?
Ein Beitrag von sms.law Partner Philipp Gamauf und sms.law Associate Julia Sillke
Immer wieder (zuletzt in einem viel diskutierten ORF Beitrag) kommt es in der Praxis zu gewissen Unsicherheiten, wenn junge Menschen erste Erfahrungen im Berufsleben sammeln möchten. Unternehmen sprechen idZ gerne von „Volontariaten“ bzw „Praktika“, aber nicht immer ist klar, was damit eigentlich gemeint ist und vor allem wie diese rechtlich einzustufen bzw rechtssicher auszugestalten sind.
👉 Allgemeines: Ein Volontariat ist im österreichischen Arbeitsrecht keine eigene Vertragsart, sondern ein Begriff aus der Praxis. Eine gesetzliche Begriffsdefinition gibt es gsl – außer im Ausländerbeschäftigungsgesetz und KJBG – nicht. Ein Volontariat liegt vor, wenn jemand freiwillig und ausschließlich zum Erwerb von praktischen Kenntnissen, Fähigkeiten und auch Erfahrungen mit Erlaubnis des Betriebsinhabers in dessen Betrieb mitarbeitet. Ein Volontariat ist kein Arbeitsverhältnis und begründet daher grundsätzlich auch keinen Entgeltanspruch.
👉 Voraussetzungen für ein Volontariat: Ob ein Volontariat tatsächlich vorliegt, hängt von der Gesamtbetrachtung der Umstände im jeweiligen Einzelfall ab; die Bezeichnung als „Volontariat“ spielt dabei keine Rolle. Wesentliche Kriterien für ein Volontariat sind dabei:
- Der Ausbildungs- und Lernzweck sowie das Eigeninteresse des Auszubildenden stehen im Vordergrund, nicht aber die Arbeitsleistung: Das Volontariat muss also vom Ausbildungszweck prägend bestimmt sein, dh zB, dass Arbeiten, die nicht dem Ausbildungszweck dienen, nur in einem zeitlich zu vernachlässigenden Ausmaß verrichtet werden dürfen.
- Der/die Volontär:in hat Gestaltungsfreiheit bei Anwesenheit und Aufgaben, ist also (weitgehend) ungebunden gegenüber dem Unternehmen. Die Koordination eines vielseitigen Einsatzes durch einen Dienstplan steht dieser Ungebundenheit aber nicht grundsätzlich entgegen.
- Die Tätigkeiten sind (nach Wahl des Auszubildenden) abwechslungsreich und auf verschiedene Bereiche verteilt.
- Keine Ersatzfunktion für andere, derzeit abwesende Arbeitnehmer:innen (also zB keine bloße Urlaubsvertretung).
👉 Abgrenzung von Arbeitsverhältnis und Volontariat: Die Abgrenzung ist mitunter schwierig. Entscheidend ist, wie die Tätigkeit tatsächlich im jeweiligen Einzelfall in einer Gesamtbetrachtung ausgestaltet ist. Kein Volontariat, sondern ein (normales) Arbeitsverhältnis liegt insbesondere dann vor, wenn:
- die Erwerbsabsicht bzw das Interesse des Unternehmens an der Dienstleistung im Vordergrund steht, nicht die Ausbildung,
- eine Eingliederung (Ein- und Unterordnung) in den Betrieb erfolgt,
- feste Arbeitszeiten einzuhalten sind (die Vorgabe frühester Beginn- und spätester täglicher Endzeiten begründen aber noch keine Arbeitszeitbindung),
- eine Weisungsgebundenheit gegenüber Vorgesetzten besteht,
- gleichförmige Hilfstätigkeiten oder Urlaubsvertretungen übernommen werden,
- Entgelt oder Taschengeld gewährt wird, das sich dem kollektivvertraglichen Lohn annähert.
Sobald betriebliche Interessen dominieren und nicht mehr das Lernen, ist automatisch von einem Arbeitsverhältnis – mit allen Folgen – auszugehen. Im Zweifel ist ein Volontariat nämlich nicht zu vermuten; das Unternehmen ist daher dafür beweispflichtig, dass sich die von dem/der vorgeblichen Volontär/in ausgeübte Tätigkeit inhaltlich von der Tätigkeit der anderen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer:innen entsprechend unterscheidet.
👉 Folgen einer falschen Einstufung: Wird ein vermeintliches Volontariat tatsächlich wie ein Arbeitsverhältnis ausgestaltet/gelebt, greifen automatisch die arbeitsrechtlichen Vorschriften: Die betroffene Person hat dann also insbesondere Anspruch auf kollektivvertragliches Entgelt samt Sonderzahlungen und Urlaub, der Betrieb muss Sozialversicherungsbeiträge (im Nachhinein) leisten bzw mit lohnsteuerlichen Nachforderungen rechnen. Zusätzlich drohen schmerzliche Verwaltungsstrafen, insbesondere im Fall von Lohndumping.
Die Abgrenzung ist mitunter schwierig. Umso wichtiger ist daher einerseits eine klare und rechtssichere vertragliche Gestaltung, sowie andererseits und insbesondere, dass das vereinbarte Volontariats-Verhältnis auch organisatorisch und tatsächlich entsprechend „gelebt“ wird.